Die 5-Minuten-Terrine - Ein Kurzinterview mit Peter Jason

 

Der wunderbare und sympathische Mime Peter Jason gehört zum Stamm-Ensemble von John Carpenter und Action-Ikone Walter Hill, für den er bis Dato 14 mal vor der Kamera Stand. In Kult-Klassikern wie "Fürsten der Dunkelheit", "Sie leben!", "Nur 48 Stunden", "Strassen in Flammen" oder gemeinsam mit dem "Duke" himself (John Wayne) war er zu sehen, neben dem er in "Rio Lobo" seine erste Rolle in einem abendfüllenden Spielfilm antrat. 

 

Bis heute stand er in über 250 (!) Rollen für Kino und TV vor der Kamera. Es gibt kaum einen großen Namen, mit dem er nicht zusammengearbeitet hat und kaum ein Genre, dass er ausgelassen hat - egal, ob nun in Western-Serien wie "Rauchende Colts", Krimi-Serien wie "Starsky & Hutch", Fantasy-Serien wie "zurück in die Vergangenheit", oder Comedyknaller wie "Eine schrecklich nette Familie". Jason arbeitete bereits mit Superstars wie Clint Eastwood, Angela Lansbury, John Wayne, James Caan, Diane Lane, Nick Nolte, Arnold Schwarzenegger, James Coburn und Omar Sharif zusammen. Die Liste könnte hier schier endlos weitergeführt werden. 

 

Rente? Pustekuchen! Jason liebt seinen Job. Derzeit hat der 74-jährige Hollywood-Star gut ein halbes Dutzend Projekte in der Pre-Production (Stand 2019). Darüber und über noch vieles mehr plauderten wir mit ihm in einem sehr netten und entspannten knapp 25-minütigen Telefon-Interview, welches auch im englischen Original am Ende der Seite als MP3-Download zu finden ist. Unsere erste waschechte 25-Minuten-Terrine sozusagen.

 

 

MMM: Hallo, hier ist Holger aus Deutschland. Wie geht es Ihnen?

 

PJ: Hallo Holger. Ich sitze gerade in meinem Garten im wunderschönen Kalifornien und die Sonne scheint. Wie läuft es so in Deutschland?

 

MMM: Derzeit schneit es hier. Es ist ziemlich kalt. In Kalifornien war ich schon drei mal. Ich liebe es dort.

Mr. Jason, sie waren so freundlich, uns zu einem Telefoninterview einzuladen. Ich werde Ihnen ein paar teils ungewöhnliche Fragen stellen und das Gespräch dann Ihren deutschen Fans zur Verfügung stellen. Ist das OK?

 

PJ: Absolut. Dann schießen Sie mal los!

 

MMM: Als erstes würden wir gerne von Ihnen wissen, welche Erinnerungen Sie an Ihren allerersten Kinobesuch haben.

 

PJ: Nun, an Einiges erinnere ich mich selbst und Einiges wurde mir im Nachhinein erzählt. Also, wir waren fünf kinder daheim und meine Eltern gingen mit uns in den berühmten Oscar-Abräumer "Alles über Eva". Aber mich hat das Ganze in dem Alter nicht erreicht. Ich rannte mehr im Kino herum, als auf dem Stuhl zu sitzen. Den ersten Film, den ich wirklich aufmerksam bis zum Schluss hin verfolgt habe, war wohl "Bambi". Der kam bereits 1942 heraus, aber ich sah ihn erst so um 1948 herum. Den habe ich echt geliebt.

 

MMM: Und haben Sie nicht geweint?

 

PJ: Selbstverständlich habe ich geweint. Wenn Bambis Mutter stirbt muss doch jeder weinen. 

 

MMM: Ja, das ist wirklich erschütternd.

 

PJ: Dann kann ich mich noch gut an den 3-D-Western "Der brennende Pfeil" erinnern. Da kämpften Cowboys, Indianer und Feuerpfeile flogen in das Publikum. Da muss ich so neun oder zehn Jahre alt gewesen sein.

 

MMM: Das muss in dem Alter ja großartig gewesen sein.

 

PJ: In der tat. Das war Phantastisch!

So richtig beeinflusst wurde ich dann durch Filme wie "Du sollst mein Glücksstern sein" oder "Ein Amerikaner in Paris". Ich mag den Stepptanz von Gene Kelly. Das ist wirklich cool. Ansonsten liebe ich Humphrey Bogart in "African Queen". Als Katharine Hepburn versucht, zu ihm ins Boot zu steigen, war ich sofort in sie verliebt. Meine erste Liebe sozusagen. Ich mag Bogart, ich mag Clark Gable, ich mag Spencer Tracy...das sind so meine Jungs. Und natürlich diese ganzen Tarzan-Filme. Das waren so diese Augenblicke, als ich mich in das Kino verliebte, aber ich hatte zu dem Zeitpunkt natürlich noch keine Ahnung, dass ich mal Schauspieler werden würde. 

 

MMM: Wie sind Sie es denn dann geworden? Erzählen Sie uns doch bitte davon.

 

PJ: Gerne. Mein Vater war seiner Zeit Sportlehrer und so war auch ich ein ziemlich guter Sportler. Er brachte immer das ganze Equipment mit nach Hause, um sich gemeinsam mit mir nach der Schule zu betätigen. Ich war wohl der beste Athlet weit und breit, und ich dachte damals sogar, ich würde eines Tages einmal Profi-Sportler werden. Doch alle Jungs um mich herum wurden immer größer und größer und ich dachte mir schon, das wird nichts mehr; Ich werde wohl doch lieber Ingenieur. Es gab damals eine Cheerleaderin namens Jeanny Brubaker, die wohl ein Auge auf mich geworfen hatte. Na ja, ich traf sie eines Tages an einem Eiswagen am Spielfeldrand, als ich für mein Football-Team im letzten Jahr an der Highschool auflief. Sie fragte mich, ob ich versuchen würde, mich für die Endspiele zu qualifizieren. Sie würde auf jeden Fall dabei sein. Was soll ich sagen? Ich war nicht nur dabei, ich war sogar Kapitän der Mannschaft. Sie hingegen konnte sich noch nicht einmal qualifizieren - hahaha. Als ich dann das Stadion zum kochen brachte und für mein Spiel den Applaus vernahm, dachte ich: Wow, DAS mag ich! Von da an war ich angefixt, für mein Publikum aufzutreten.

 

Tja, und so ging es dann rüber zum Theater und meine Motivation war es immer, gute Rollen zu bekommen. Das war mir das allerwichtigste. Ich wollte also immer lieber kleine gute Rollen, als eine Hauptrolle, die nichts taugt. Manchmal schickte ich für ein Arrangement sogar vorweg, dass ich für eine ordentliche Rolle sogar auf meine Gage verzichten würde.

 

Ich lernte die Schauspielerei an der heutigen Carnegie-Mellon-Universität; die renommierteste Schauspielschule in den Vereinigten Staaten. Man brachte mir dort die wichtigen Techniken bei: wie man sich artikuliert, wie man läuft, geht und steht, die Körperhaltung. Wir schneiderten Kostüme und bauten Kulissen, damit wir lernten, die Arbeit der Leute hinter den Kulissen zu würdigen.  Wie taten alles, was dazu gehört.

 

So tourte ich also auf den Bühnen durch das Land, bis ich letzten Endes wieder in meiner Heimatstadt angekommen war. Hier ergatterte ich dann meine erste Rolle in einem abendfüllenden Spielfilm: "RIO LOBO". 

 

MMM: ...und das erstaunliche ist: ich sah diesen film einst mit meinem Opa, dann mit meinem Vater und werde ihn in einigen Jahren auch mit meinen Kindern schauen.

 

PJ: Somit haben also mindestens schon drei Generationen gesehen, wie ich mir das Genick gebrochen habe - hahaha.

Wie auch immer, "RIO LOBO" war mein Durchstarter in der Branche und nach einer Weile tat ich dann genau das, was ich glaubte, als Schauspieler tun zu müssen: Ich bekam einen Höhenflug und trug meine Nase immer höher, was meinem Manager natürlich überhaupt nicht passte. Er sagte, ich solle erst einmal für ein Jahr nach New York gehen und erwachsen werden. Diesem Rat folgte ich - und blieb dort ganze sieben Jahre. Ich drehte dort hunderte von Werbespots und hatte zwischendurch immer mal wieder kleine Rollen, bis ich einen Anruf von meinem Jugendfreund, dem Produzenten und Regisseur Frank Marshall (Arachnophobia, Poltergeist, Falsches Spiel mit Roger Rabbit, Signs), bekam. Er fragte mich, ob ich Lust habe für drei Monate in Arizona für den Orson Welles-Film "The other Side of the Wind" zur Verfügung zu stehen. Dieser Film, genauso wie die Dokumentation darüber namens "You're gonna love me when i'm Dead", so wie ein Making-Of werden übrigens in diesem Jahr endlich erscheinen. NETFLIX hat sich hier die Rechte gesichert.

 

Marshall stellte mich jedenfalls bald darauf Walter Hill vor, der gerade mit "DRIVER" beschäftigt war. Das Ende vom Lied war, dass ich in das Stammensemble von Walter Hill aufgenommen wurde und bis heute vierzehn mal für ihn vor der Kamera stand. Ich liebte jede einzelne Arbeit mit ihm. U.a. war ich bei "Nur 48 Stunden" dabei oder auch bei "Long Riders", in denen die Brüder David und Keith Carradine, Dennis und Randy Quaid, oder auch James und Stacy Keach tatsächlich auch in den Rollen ihrer eigenen Brüder mitwirkten. Knapp 10 Jahre zuvor brachten die Keach-Brüder übrigens in New York die Story von Jesse James als Musical auf die Bühne. Auch dort spielte ich schon die Rolle des Pinkerton.

 

Sowohl bei "Long Riders", als auch auch bei John Carpenters "Starman" war ein Mädel namens Sandy King als Script-Supervisor tätig. King wurde nicht nur die Ehefrau von Carpenter, sondern auch zu meinem Draht zu ihm. Erstmalig bin ich unter seiner Regie in "Fürsten der Dunkelheit" zu sehen. Das war ein Heidenspaß! Sieben oder acht mal haben wir bis Dato zusammengearbeitet. Einer meiner liebsten Projekte von ihm war "Das Dorf der Verdammten", den wir in der Nähe von San Francisco drehten. Ich sagte John, ich würde gerne mal als Produzent fungieren. Und so schickte er mich zum reinschnuppern in alle Bereiche am Set.

 

MMM: Unter anderem waren Sie der Casting-Director für diesen Film. Ist das korrekt?

 

PJ: Na jaaa, ich habe Sandy beim Casting geholfen und einige befreundete Schauspielkolleginnen und Kollegen mit an Bord geholt.

 

Der Anführer des Widerstandes: Peter Jason alias Mr. Gilbert in "Sie leben!"

 

MMM: In der IMDB steht, dass Sie bisher in über 250 Rollen zu sehen waren - Wow!

 

PJ: Es waren mit Sicherheit noch mehr. Einige Sachen von mir sind tatsächlich nie veröffentlicht worden - so wie letztens "The Ascent". Ich weiß gar nicht, ob der überhaupt jemals noch das Licht der leinwand erblicken wird. Ich habe dort eine der Hauptrollen und spiele einen Priester, der Exorzismus praktiziert.

 

MMM: Welches würden Sie Rückblickend auf Ihre bisherige Karriere, als die schönste Arbeit bezeichnen? gibt es so etwas wie einen Lieblingsfilm oder eine Lieblingsserie?

 

PJ: Schwierig. Es waren so viele Projekte. Also "Deadwood" war eine wunderbare Sache. Das war eine HBO-Serie, die wir vor zehn oder zwölf Jahren gemacht haben, die jedoch nach 36 Folgen abgesetzt wurde. Ich war an 33 davon beteiligt. Schön ist aber, dass wir die ganze Geschichte nun jüngst mit einem 2-stündigen Spielfilm zum Abschluss bringen konnten, in dem die Charaktere darin ebenfalls mittlerweile um 10 Jahre gealtert sind. Im Frühjahr 2019 soll der Film wohl erscheinen. Jedenfalls war es ein Riesenspass und es fühlte sich an, wie die Arbeit in einer großen Familie. Selbst wenn einer aus der Crew meint, querschießen zu müssen, wird er von seinen Set-Kollegen wieder nett und freundlich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Und mal ganz ehrlich: wir sind Schau-Spieler. Wir spielen. Das Ganze ist ein Spiel. Es soll Spaß machen. Wir müssen zusammenhalten, so wie eine Familie und den Spaß an der Sache immer hoch halten. Und man möchte sich ja, so wie im wahren Leben auch, mit Menschen umgeben, die man gerne hat.

 

Ansonsten wirke ich gerade zusammen mit Zach Galifianakis in der dritten Staffel von "Baskets" mit. Ich spiele den Bruder des US-Comedians Louie Anderson, der wiederum eine Frau spielt. Das Ganze ist durchzogen mit pechwarzem Humor und vieles davon war improvisiert.

 

MMM: Sorry, aber ich muss Sie jetzt einfach mal fragen, wie es ist, mit John Carpenter zu arbeiten. Ich bin so ein riesiger Fan seiner Arbeit. 

 

PJ: John ist in vielerlei Hinsicht wie Walter Hill. Sein Ensemble ist wie eine große Familie und er arbeitet gerne immer wieder mit den selben Leuten zusammen. Irgendjemand sagte mir mal, John hätte niemals öfter jemanden gecastet als mich. Ich weiß nicht, ob das wirklich so ist. Wir arbeiteten bisher sieben oder acht mal zusammen. Die Familie Carpenter und wir verbringen in ihrem wunderschönen vierstöckigen Haus in den Hollywood-Hills Thanksgiving zusammen, Halloween, Weihnachten, Ostern und rutschten sogar gemeinsam ins neue Jahr...und Sandy kocht übrigens ganz hervorragend.

 

Wenn man mit John zusammenarbeitet, ist es schon merklich klar, dass er der Kapitän seines Schiffes ist. Doch er vermittelt alles auf freundliche und familiäre Art und Weise. Ich erinnere mich, dass es am Set mal eine Diskussion zwischen zwei Kollegen gegeben hat, wie man eine bestimmte Szene am besten spielen solle. John kam dazu und fragte ganz gelassen: "Warst du schon einmal in einer Videothek und hast dir dort die Regale angeschaut? Genau SO spielst du das jetzt einfach." Das Thema war erledigt und John schluffte wieder zurück auf seinen Regiestuhl - hahaha. Sowas liebe ich an ihm. Er ist ein großartiger und blitzgescheiter Typ. Er tourt ja derzeit wieder gemeinsam mit seinem Sohn Cody und seiner Band durch die ganze Welt und spielt dort seine eigens komponierten Scores, während auf einer Leinwand im Hintergrund die passenden Filmausschnitte zu sehen sind. 

 

MMM: Ja, ich habe vor ein paar Jahren in Deutschland ein Konzert von ihm gesehen. Das war ein phantastischer Abend.

 

Kurt Russell und Peter Jason in "Flucht aus L.A."

 

PJ: Letztes Jahr spielte er hier im "Palladium", zur gleichen Zeit als auch der neue "Halloween" erschien. 

 

MMM: Ich hätte da noch eine Frage im Petto. Stellen Sie sich bitte einmal vor, Sie hätten die Möglichkeit, ihren eigenen großen Blockbuster zu drehen. Sie hätten all das Geld zur Verfügung, was Sie dafür benötigen würden und Sie könnten casten, wen auch immer Sie gerne wollen. Wie würde das wohl aussehen?

 

PJ: hmmm, gute Frage...ich würde wohl ein Mystery-Skript von mir realisieren, in dem es um um ein Pflegeheim für verrentete Größen aus dem Showbusiness geht. Also, so eine Mischung aus Hospital und Altenheim. In die Hauptrollen würde ich Meryl Streep und George Clooney stecken. Die beiden gehören nicht nur zu den besten Schauspielern der Welt, sondern sind auch die besten Kollegen, mit denen ich je zusammengearbeitet habe. Abgesehen davon ticken sie so wie ich. Sie arbeiten mit dieser besagten familiären Einstellung und haben keinerlei Star-Allüren.

 

MMM: Wunderbar. Wir freuen uns auf diesen Film. Ich stelle ihn direkt morgen mit Pre-Production-Vermerk auf die IMDB. Wann können wir ihn erwarten?

 

PJ: Wenn SIE hier zu uns nach Hollywood kommen. Wir brauchen Leute wie Sie, die sagen: Alles was ihr auch immer wollt - ihr bekommt es. hahaha. 

 

MMM: Mr. Jason. Ich habe keine weiteren Fragen an der Stelle. Wir durften viele tolle Dinge von Ihnen erfahren. Ganz lieben Dank für die Zeit, die Sie sich heute für uns genommen haben. Wir wünschen Ihnen und Ihrer Familie viel Gesundheit und für den weiteren Verlauf Ihrer Arbeit alles erdenklich Gute!

 

PJ: Sehr gerne. Sie haben ja jetzt meine Nummer. Wenn Sie mal wieder bei uns in der Nähe sind, klingeln Sie einfach kurz durch, dann gehen wir gemeinsam einen Kaffee trinken und quatschen noch ein wenig.

 

 Interview © 2019 

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